MATCH: DEEP INSIDE
Die Ausstellung MATCH: DEEP INSIDE entfaltet sich als dialogisches Denk- und Raumgefüge. Für diese gemeinsame Ausstellung entwickeln Petra Gell und Tanja Hehmann eine räumlich durchdachte Konstellation. Ihre jeweils eigenständigen künstlerischen Positionen, Malereien, aber auch ortsspezifische Installationen und eine Videoarbeit, treten darin in Beziehung: Sowohl Verbindung als auch Differenz werden erfahrbar. Ihre Werke begegnen einander: Das Flüchtige und das Verbindende stehen sich gegenüber, das Experimentelle erweitert das konkret Anmutende. Dieser komponierte Denkraum folgt dem künstlerischen Impuls in ein Inneres.
Die Ausstellungsräume des Kunstvereins Baden zeigen folglich keine klassische Werkschau: Gell und Hehmann entwickeln im Wechsel von Diskurs und künstlerischer Setzung eine situative Gesamtinstallation. Ausgangspunkt ist der konkrete Ort: Seine städtebauliche Lage, seine Architektur, seine räumlichen Atmosphären; die Architektur wirkt dabei nicht als neutrale Behälterstruktur, sondern agiert als raumdefinierendes Element mit eigener Sprache. Raumgliederung, das Verhältnis von Transparenz und Geschlossenheit, von Nähe und Rückzug – all dies ist integraler Bestandteil der künstlerischen Konzeption.
Die große Glasfassade zur Stadt bildet eine Schwelle zwischen Innen- und Außenraum, die Übergang und Distanz zugleich thematisiert. Sie ist transluzenter Filter und Reflexionsfläche in einem. Sie spiegelt das Außen im Innen. Sie ist optisches sowie auch konzeptuelles Element. Der Begriff „Firnis“, in der Malerei die durchsichtige Lasur oder Schutzschicht, beschreibt diese Zäsur zwischen Sichtbarkeit und Abgeschlossenheit präzise – und weist zugleich auf das ambivalente Verhältnis zwischen Betrachtung und Teilhabe hin.
Diese Grenze markiert den Beginn einer inhaltlichen Schichtung, die sich nach Innen fortsetzt – und dabei der Struktur des Raumgefüges folgt. Aus der städtischen Öffentlichkeit führt der Weg in eine Abfolge zunehmend abgeschirmter Zonen. Die Ausstellungsdramaturgie nutzt diese Anordnung bewusst: Lichtverhältnisse, Raumschnitt und Blickachsen erzeugen unterschiedliche Atmosphären. Der Raum wird zum (Bild-) Träger subjektiver Wahrnehmung.
Gell und Hehmann greifen diese raumtypologischen Bedingungen auf – jede für sich, aber auch gemeinsam – und antworten mit ortsspezifischen Arbeiten, die die architektonische Setzung nicht nur bespielen, sondern transformieren.
Gell arbeitet mit farbigen und körpernahen Strukturen, deren malerischer Zugriff die Grenze zwischen Fläche und Raum auflöst. Ihre Arbeiten lassen keine eindeutigen Lesarten zu, sondern betonen Zwischenzustände: Freistellen, Andeutung, latente Bewegung. Dies bezieht sich auch auf das übergeordnete Thema Gells, Gender in Space.
Hehmann hingegen denkt in zeitlich-räumlichen Bildordnungen. Ihre Malerei ist prozesshaft, vielschichtig und fragil. Themen wie Erinnerung, Transformation, Werden und Vergehen strukturieren ihre Werkzyklen und zeigen sich im Spiel mit Materialität.
Gemeinsam ist beiden Künstlerinnen das Interesse am Nicht-Eindeutigen. Die Werke lassen eine Offenheit zu, in der Ungewissheit keine Leerstelle bildet, sondern ihr eigenes Potenzial entfaltet: ein Angebot zur Verbindung, getragen von Präsenz, Aufmerksamkeit und dem Mut, sich berühren zu lassen. Gleichzeitig eine Aufforderung, Reibung als Teil des Ganzen zu begreifen um den Kontaktpunkt wechselseitiger Resonanz zu halten.
An der Grenze des Sag- und Sichtbaren erzeugt MATCH: DEEP INSIDE Raumbilder, die nicht beschreiben, sondern befragen. In diesem kuratorischen Gefüge wird das Individuelle nicht aufgehoben, sondern neu verortet. Es ist ein facettenreiches Verhandeln zwischen Zusammentun und Eigenständigkeit. Ein Verhandeln darüber, die persönliche Ebene in den Raum zu tragen.
Im Verlauf der Ausstellung vollzieht sich dementsprechend eine Umkehrung. Der Verweis auf ein räumliches oder psychologisches Innen wird zur Denkfigur: Die Architektur wird lesbar als Struktur, die Tiefe in der Wahrnehmung ermöglicht. Die visuelle Setzung verweist auf einen „Matching Point“: Der oberste Raum der Ausstellung – architektonisch ein Dachgeschoss, metaphorisch ein „Denkstübchen“ – wird selbst zur verräumlichten Metapher und beherbergt jenen flüchtigen Moment, in dem das Ausgeblendete, das Unterbewusste, Form annimmt. Im Zentrum steht die Frage nach dem Eigenen – und wie es sich in Beziehung setzt.
MATCH: DEEP INSIDE verweist auf eine Denkfigur, die sich zwischen Bewusstem und Unbewusstem, zwischen Sehen und Verstehen, zwischen Konkretem und Abstraktem bewegt. Eine Einladung – vielleicht auch eine Herausforderung – das anschlussfähige System aus Andeutungen, Setzungen und Leerstellen zu einem eigenen zu machen.
Die Ausstellung ermöglicht eine Rezeption, die sich nicht auf das Objekt reduziert, sondern die eigene Wahrnehmung als wesentlichen Teil des Erlebens begreift. Raum wird zu Erfahrung, Kunst zu Denkarchitektur. Und MATCH: DEEP INSIDE wird damit zu einem Ort der Reflexion – über Kunst, über Raum und über das, was im Innersten wirkt.
Ausstellung
Kunstverein Baden
Beethovengasse 7
2500 Baden bei Wien
Österreich
Vernissage 26.04.2025
Ausstellung 27.04. – 12.06.2025
Credits
Foto: Tanja Hehmann
Ausstellungstext: Hilke Ludwigs
Kuratorin Kunstverein Baden: Katja Stecher













