Vor mir stehen zwei junge Frauen mit Kopftüchern, ein Asiate mit einer Kamera und hinter mir unterhalten sich zwei Männer auf Russisch. Wir alle warten auf Einlass in diese Black Box, die mit einem schönen Schriftzug im Neon Style EVOLUTION verspricht. Die Box ist seitlich mit Streckmetall-Koffern in exzentrischer Form verkleidet, das ist sicherlich gut gewollt, aber lässt auch nicht näher auf den Inhalt schließen.
Nach 3 x 3 Minuten bin ich auch dran und betrete mit dem Kameramann die Box. Vierseitig verspiegelt mit zwei Projektionsflächen an der Rückseite und an der Decke entwickelt sich nach und nach bei sphärischer Musik eine Unterwasserwelt, die uns in ihren Bann zieht: Schillernde Quallen gleiten anmutig über und unter uns her, Fischschwärme, ein Korallenriff, ein Riesenrochen. Das alles ist sehr anmutig und schön. Ein immersives Raumerlebnis.
In Wirklichkeit befinde ich mich allerdings nicht auf einem Tauchgang sondern auf der Domotex, einer Fachmesse für Bodenbeläge in Hannover, und der Bezug zu Teppich und Designplanke wird mir erst klar, nachdem ich die
Erläuterung
gelesen habe. Das "Unternehmen Stefany inszeniert seine Produktphilosophie auf so bezaubernde Weise, dass sein Auftritt ... vielleicht sogar ihre Sicht auf das Leben verändert", heißt es auf der Homepage. Vielleicht etwas zu dick aufgetragen, wenn man an die immersiven Raumerlebnisse denkt, die beispielsweise das Kollektiv
teamLab
in Tokio erschaffen hat - das übrigens f
ür Hamburg ein digitales Museum entwickelt, das mit 5.000 m² in der HafenCity geplant ist.
Wo ordnet man diese Art der Installationen ein? Heinz Peter Schwerfel formuliert es im aktuellen
art Magazin: "Ist das nun mehr Walt Disney oder Mark Rothko, Kitsch oder Kunst, eine revolutionäre Erfahrung oder bloß raffiniertes Entertainment? Vergeistigte Überwältigungsästhetik oder billiges Netzhautkitzeln auf einem weiteren digitalen Jahrmarkt besucherfreundlicher Nichtigkeiten?" Um dann festzustellen: "Immersive Kunst liegt im Trend."
Ja, das stimmt, an immersiven Installationen kommt keine Messe mehr vorbei - und wir reden hier nicht über die Messestädte Berlin, Köln und München, sondern über den alten Expo 2000 Standort Hannover mit seinem immer zu großen Gelände.
Credits:
Stefany home & Living, leider ohne Infos zu dem oder den KünstlerInnen der Installation
art Magazin, Ausgabe Januar 2020, darin: Heinz Peter Schwefel, "Im Rausch des Sehens", S. 86 ff.